
Startseite » Management / Unternehmen » Vertrieb ist Chefsache!
Ein Beitrag von Prof. Dr. Ove Jensen.
Vertrieb ist wie Sport. Wer ihn vernachlässigt, merkt eine Zeit lang nichts. Doch dann geht es steil bergab. Daher sollte er zur täglichen Routine jedes Unternehmers gehören.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich schlage nicht vor, dass der Chef den Vertrieb allein macht, sondern dass er die Vertriebsführung nicht zu sehr delegiert. Im Mittelstand sind die Verkaufsmannschaften übrigens eher zu klein als zu groß. Es gibt eine Daumenregel, nach der Sie überlegen können, ob Sie einen zusätzlichen Verkäufer einstellen: Trägt der Verkäufer über seine eigenen Kosten hinaus zu Gemeinkostendeckung und Betriebsgewinn bei? Wenn der jährliche Zusatzumsatz, den ein neuer Verkäufer nachhaltig erzeugt, eine mindestens dreimal so hohe Bruttomarge bringt wie der neue Verkäufer als jährliche Gehalts- und Nebenkosten hat, dann sollte man den zusätzlichen Verkäufer einstellen. Sparen Sie sich im Vertrieb nicht zu Tode! Wenn Ihre Bruttomarge heute zehnmal so groß ist wie Ihre Vertriebskosten, sollten Sie sich ernsthaft fragen, ob Ihr Vertrieb unterdimensioniert ist und ob Sie derzeit Wachstums-chancen liegen lassen. Wer die Fixkosten von Verkäufern scheut oder im derzeitigen Arbeitsmarkt keine guten Leute findet, sollte über die Nutzung von Arbeitnehmerüberlassung („Vertriebsleiharbeit“) und Handelsvertretern nachdenken.
Definieren Sie mit Datenbanken wie Amadeus eine Liste von Ziel-Kunden, deren Profil zu Ihrem Unternehmen passt. Netzwerke wie Xing (für kleine, deutsche Kunden) und LinkedIn (für Führungskräfte internationaler Unternehmen) sind unverzichtbare Hilfsmittel bei Kontaktaufbau und -pflege. Ohne Draht zur Geschäftsführung und Technik des Kunden lassen sich Premium-Preise nicht durchsetzen. Mit Google Alerts und LinkedIn Lead Builder bleiben Sie auf dem Laufenden, was Ihre Zielpersonen publizieren, wer wen kennt und wer den Job wechselt. Die Antwortwahrscheinlichkeit auf Xing- und LinkedIn-Nachrichten ist hoch.
Wer als Verkäufer nur am Einkauf hängt, wird preislich an die Wand gedrückt. Vorsicht: 5 % Preisnachlass vernichten bei 25 % Marge bereits 20 % des Gewinns! Jeder Verkäufer kennt den Einkäufer-Spruch: „Machen Sie mal ein Angebot – ich melde mich.“ Wenn wir keinen Kontakt in der Kundenorganisation haben, der uns Insider-Hinweise gibt, und wenn die technische Spezifikation vom Kunden schon feststeht, dann dienen wir wahrscheinlich nur als Vergleichsangebot, mit dem der Einkäufer seinen Favoriten im Preis drücken will. Lehnen Sie solche Preisanfragen dankend ab. Verweisen Sie auf ausgebuchte Kapazitäten, anstatt zu viel Zeit zu investieren.
Mehr denn je gilt, dass derjenige Anbieter einen Vorteil hat, der mit klugen Fragen den Umdenk-Prozess beim Kunden erst auslöst. Dies ist der Kern von dem, was man strategieberatendes Verkaufen („Consultative Selling“ oder griffiger „Challenger Selling“) nennt. Mit der Geschäftsführung des Kunden eine Zukunftsvision zu entwickeln und einen „Klick“ beim Kunden auszulösen, schaffen nur wenige Außendienstverkäufer. Hier ist im Mittelstand der Chef gefragt. Die Aufgabe des Außendienstes ist es, der Kunden-Geschäftsführung die Idee eines Workshops mit dem Chef (oder anderen Spezialisten) zu verkaufen. Einige Unternehmen setzen ihren Verkäufern sogar Ziele dafür, wie viele Geschäftsführungs-Workshops sie anbahnen.
Strategieberatendes Verkaufen will beim Kunden nicht nur einer unter vielen C-Lieferanten sein, die über den Preis konkurrieren, sondern ein „wert-geschätzter“ Prozesspartner und Impulsgeber. Dies erfordert, dem Einkäufer gebetsmühlenartig zwei Perspektivenwechsel entgegenzusetzen:
Qualitätsanbieter liegen beim reinen Produktpreis meist über dem Wettbewerb. Berücksichtigt man aber den gesamten Prozess mit z.B. Rüst-, Arbeits-, Verschleiß-, Dokumentations-, Haftungs-, Lagerhaltungs-, Energie- und Stillstandskosten, sind die Gesamtkosten (Total Cost of Operation) aus Kundensicht niedriger (Abbildung 2). Daher ist es wichtig, nicht nur eine technische Vorteilsargumentation gegenüber der Technik aufzubauen, sondern auch eine finanzielle Vorteilsargumentation gegenüber dem Einkauf. Ein Verkaufsleiter brachte dies auf die griffige Formel: „Wir verkaufen nicht nur Qualität, sondern Produktivität.“ Hier kommt es wieder zum Kompetenzen-Engpass: Während viele Verkäufer eine technische Produktdemonstration sattelfest hinbekommen, sind sie in der Vorführung von finanziellen Excel-Rechnungen unsicher. Um den Vertrieb zu unterstützen, schaffen große Unternehmen Spezialisten für finanzielle Mehrwertargumentation. SAP zum Beispiel nennt diese Spezialisten „Value Engineers“. In kleineren Unternehmen ist der Chef gefordert, die technische und finanzielle Zweigleisigkeit der Verkaufsargumentation voranzutreiben. Angesichts des Aufwands, den sie im Controlling betreiben, um die eigenen Kosten zu ermitteln, ist es ernüchternd, wie wenig Mühe sich die meisten Unternehmen geben, um die Kunden-Kosten und den Return-on-Investment (ROI) zu verstehen, den der Kunde mit ihren Lösungen hat.
Der finanzielle Vorteil ist nicht das Einzige, was der Kunde „kaufen“ muss. Das „Ja“ zum finanziellen ROI ist im B2B nur einer von mindestens fünf Verkäufen:
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