Wein aus der Region sollte wieder ein Luxusgut sein

Das Weinanbaugebiet Mosel ist die älteste Weinregion Deutschlands. Vor 2000 Jahren begannen die Römer und Kelten damit, die typischen Steillagen entlang der Mosel mit Weinreben zu bepflanzen. Die Rebflächen erstrecken sich entlang der Mosel von der deutsch-französischen Grenze bei Perl im Saarland bis nach Koblenz, an den Unterläufen der Flüsse Saar, Ruwer, Sauer und Lieser sowie in weiteren Nebentälern.
Mitten im beschaulichen Weinort Winningen an der Mosel lebt und arbeitet der junge Winzer Heiko Hautt. „Das Weinanbaugebiet Mosel umfasst 8.680 Hektar Rebflächen im Tal der Mosel sowie der Nebenflüsse Saar und Ruwer. Mehr als ca. 85 Prozent der Weinberge liegen auf rheinland-pfälzischem Gebiet“, erklärt Heiko, der seit Januar die Geschäfte seiner Eltern und somit in dritter Generation weiterführt.

Für die Weinregion sind die Schiefer- und Muschelkalkböden typisch und haben dadurch einen entscheidenden Einfluss auf den Geschmack der Moselweine. Der „Bremmer Calmont”, zwischen Bremm und Ediger-Eller, gilt mit seinen 380 Metern und mit einer Neigung bis zu 68 Grad als der steilste Weinberg der Welt. In diesem unwegsamen Gebiet stellen sich nahezu 2.800 Winzerhelden täglich den Steillagen, um die besten Trauben für ihre hochwertigen Weine zu ernten. Wenn die Tage heller werden, nimmt die Arbeit im Weinberg langsam Fahrt auf. Ohne Unterstützung wäre für den jungen Winzer die Bewirtschaftung der großen Anbauflächen nicht zu bewältigen. „Durch die berufliche Eigenständigkeit meiner Frau sind wir zum Glück finanziell unabhängig. Ebenso bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mich weiterhin im Betrieb unterstützen“, bekennt der Winzer.
Weinproben für die Sinne

Um den Anschluss während des Kontaktverbots nicht zu verlieren, ist auch Heiko von seinen beliebten Inhouse-Weinproben auf Online-Tastings umgestiegen. „Online-Weinproben sind für mich absolut kein Ersatz für Weinproben mit Präsenz. Atmosphäre, Stimmung und der Austausch während einer Verkostung bei erlesenen Weinen und köstlichen Käse- und Wurstplatten ergeben sich über eine Web-Cam nicht wirklich gut“, erzählt Heiko aus seiner bisherigen Erfahrung. „Doch das neue Angebot kommt gut an. Jeder Kunde erhält von uns das gleiche, individuell zusammengestellte Weinpaket für die gebuchte Online-Veranstaltung, klickt sich einfach per Zoom-Konferenz in das Event und kann sofort mit allem Teilnehmer*innen interaktiv und synchron die ausgewählten Weine verkosten.“ Egal, ob im Netz oder persönlich vor Ort, Weinproben sind für Heiko niemals reine Verkaufsveranstaltungen: „Ich nutze jede Gelegenheit, um Wissen zu vermitteln, und wenn ich merke, dass mein Wissen auf Interesse stößt, dann kenne ich auch keine Uhrzeit mehr“, schwärmt der Jungunternehmer. Der persönliche Verkauf bleibt aber für den Familienbetrieb weiterhin wichtigste Einkommensquelle. „Der Absatz über Verbrauchermärkte ist für uns unattraktiv. Gegen die Konkurrenz der Discounter kommen wir nicht an. Wein aus der Region sollte wieder ein Luxuslebensmittel sein, das man sich leisten will. Wir beliefern die Gastronomie, Hotels sowie Feinkosthändler und haben uns über die Jahre einen großen Kundenstamm aufgebaut. Und das sind für mich die besten Werbeträger unsere Qualitätsweine“, versichert Heiko.
Steinig mineralische Steillagen – ein Qualitätsvorteil

Die Weinberge der Winzerfamilie liegen in Winningen, verteilt auf fünf Weinlagen: Winninger Uhlen, – Hamm, – Domgarten, – Brückstück, und Winninger Röttgen. Aus dem handerlesenen Traubensaft entstehen einfache Gutsweine, Ortsweine und Premiumweine und ein Winzersekt. Das Angebot reicht geschmacklich von trocken bis lieblich und von hauptsächlich Riesling bis hin zu Spätburgunder als Rose und Weißburgunder. Um die Aufmerksamkeit seiner Kunden zu wecken, möchte der Jungunternehmer künftig seine Produktpalette verkleinern und den Fokus auf noch mehr Qualität legen. Der Winzer mit Leib und Seele sieht außerdem ein hohes Potenzial für Spitzenweine in der gesamten Region: „Die Weinlagen sind unser Alleinstellungsmerkmal. Wir bieten ganz spezifische Weine mit Trauben von steinig mineralischen Steillagen, die eine besondere Qualität hervorbringen. Diesen Vorteil müssen wir viel mehr für die Vermarktung unserer Produkte nutzen.“ Mit diesem Vorgehen soll der Moselwein endlich aus seinem Schattendasein wieder in die Mitte der Region gerückt werden und sich als Luxusgut auch bei jungen Menschen etablieren.
Grenzübergreifender Handel nicht immer lukrativ

Auch im Ausland schätzt man den kultivierten Moselwein. Die Weine aus dem Weingut Hess-Hautt verkaufen sich nach Lettland, Frankreich, Österreich, Belgien und Holland. Manchmal beliefert Heiko seine Kunden sogar persönlich und nutzt die Gelegenheit für ein verlängertes Wochenende mit seiner Frau in der Umgebung. Länder wie Schweden, England und die Schweiz erlauben dagegen keinen Direktverkauf an Endverbraucher. In Schweden ist der Verkauf von Alkohol nur im Monopolgeschäft Systembolaget erlaubt. Für England gibt es nach dem EU-Austritt zu viele Hürden aufgrund neuer Einfuhreinschränkungen, und bei Exporten in die Schweiz verhindern hohe Zölle sowie eine aufwendige Bürokratie das lukrative Geschäft.
Bio muss fachlich diskutiert werden

Bio ist oftmals nur ein Schlagwort. Gemeint ist häufiger nur, dass sich die konventionelle Landwirtschaft verbessern soll. Doch zwischen dem, was Verbraucher unter „bio“ verstehen, und dem, was tatsächlich hinter der idyllischen Natur-Pur-Reklame steckt, liegen Welten. „Ich wäre ein Fan von bio, wenn bio auch fachlich diskutiert würde. Das Fachwissen über bio ist falsch. Regionale Produkte anzubieten und zu kaufen ist für mich weitaus mehr bio. Sie sollten wirklich aus der direkten Umgebung sein und nicht doch aus der 100 km entfernten Gemeinde. Da gibt es eben keine Regularien. Aber ungeachtet dessen ist es für uns Moselwinzer äußerst schwierig, Wein nach Biovorschriften anzubauen. Die Reben in den steilen Terrassen können nicht mit herkömmlichen Geräten gespritzt werden. Das wäre aufgrund der Steillage viel zu gefährlich. Daher müssen Hubschrauber diese Arbeit übernehmen, können aber nicht zwischen Bio- und Nichtbiolagen unterscheiden“, bedauert der Weinbauer. Ein weiteres Problem ist die gesetzliche Vorgabe, dass sich Biospritzmittel (Fenijode) nach jedem Regen von den Blättern lösen müssen. Infolgedessen ist ein permanentes Nachspritzen nötig, aber der Einsatz von Geräten mit Dieselmotoren ist wiederum nicht umweltfreundlich.
Drohnenspritzung als saubere Alternative

Sprühdrohnen sind nicht nur eine Alternative zur Handspritzung im Weinberg, sondern können auch den kontroversen Hubschraubereinsatz in Steillagen zum Teil ersetzen. Allein an der Mosel werden jährlich circa 2.700 ha Rebfläche in Steillagen durch bemannten Hubschraubereinsatz mit Pflanzenschutzmitteln bespritzt – bis zu 9-mal pro Saison. Die bemannten Hubschrauber können zwar mit ihrer großen Nutzlast die Pflanzenschutzmittel großflächig schnell ausbringen, haben dabei jedoch einige erhebliche Nachteile: die Lärmbelästigung, große Abdrift bzw. Spritzungenauigkeit aufgrund der Flughöhe, die hohe Absturzgefahr und die lange Bearbeitungszeit des Fluggenehmigungsverfahrens. Der Einsatz von Sprühdrohnen könnte darüber hinaus die hohe körperliche Belastung der Winzer wie auch den hohen Arbeitseinsatz bei der Bewirtschaftung von Steillagen reduzieren und dadurch zur Wettbewerbsfähigkeit sowie dem Erhalt von Weinbausteillagen in Deutschland beitragen. Bisher gibt es schon erfolgreiche Pilotprojekte, aber noch keine EU-Zulassung für das unbemannte Luftfahrzeug.
Mehr Widerspruch geht nicht

Der das offene Wort nicht scheuende Geschäftsmann aus Winningen steht der landwirtschaftlichen Entwicklung eher skeptisch gegenüber und äußert enttäuscht: „Das Landwirtschaftsministerium hat keine Stellung und keine Wähler mehr, die Zeiten sind vorbei. Ein gutes Beispiel fataler Politik ist für mich die Idee Grüner Energie und ihre Folgen. Der Anbau der Energiepflanzen Raps, Mais und Sonnenblumen wurden 2011 im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union mit Direktzahlungen (sogenannte Energiepflanzenprämie) finanziell unterstützt. Bereits fünf Jahre später werden, von den damaligen Befürwortern, einfach neue Forderungen gestellt: Grünwiesen für Insekten und die Abschaffung von Monokulturen. Eine lautstarke Minderheit, aber die Politik reagierte prompt. Mehr Widerspruch geht nicht“.

In den letzten 30 Jahren habe sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe halbiert und eine Prognose sei kaum möglich, wie Heiko zugibt: „Ich weiß nicht, wo die Landwirtschaft in zehn Jahren steht. Und ob sie überlebt.“ Als ehrenamtliches Mitglied im Bauern- und Winzerverein erhält der junge Mann einen guten Einblick in alle politischen Vorgänge und versucht Einfluss zu nehmen. „Die Land- und Winzerwirtschaft hat leider keine Lobby mehr. Da kann auch Julia Klöckner sich noch so bemühen – im Grunde hat sie keine Chance etwas zu bewirken. Das muss sich ändern“, fordert Heiko.
Redakteurin: Gudrun Göller

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