Gemeinsam wollte man in diesem Jahr auch national Fuß fassen. Doch dann kam Corona. Doch mit der Pandemie nicht nur Herausforderungen, sondern
auch Chancen.
„Wir haben Corona natürlich auch gespürt, weil verschiedene Distributionswege weggefallen sind, wir den Laden für ein paar Wochen geschlossen hatten und
unsere Besichtigungen bis Mitte/Ende Juni komplett ausgesetzt wurden“, berichtet Steffi Klöckner.„Es gab Umsatzeinbußen und zum Teil auch Kurzarbeit. Aber wir sind bisher mit einem blauen Auge davongekommen.“ Zum Kundenstamm der Brennerei gehört unter anderem die Gastronomie – eine Branche, die durch die Pandemie quasi vollständig zum Erliegen gekommen ist. Viele Gastronomen fühlten und fühlen sich in dieser schwierigen Phase von der Politik im Stich gelassen. „Die Politik musste schwierige Entscheidungen treffen, die für viele Unternehmen existenzbedrohend sind. Das schürt Ängste und Ungeduld. Natürlich hätten wir in den zurückliegenden Wochen gerne in die Zukunft, also in andere Dinge investiert als in die Bewältigung der Krise. Aber wir waren durch die Pandemie glücklicherweise bisher nicht existenziell bedroht.“
2020 ist jedoch hinfällig. Mitten in den Stillstand hinein wurden Anfang April zahlreiche Produkte aus der Nistertaler Destillerie auf der Craft Spirits in Berlin (ohne Publikum) mit Gold, Silber und Bronze ausgezeichnet. Gleich zehn Prämierungen gingen in den Westerwald, der im vergangenen Herbst auf den Markt gebrachte und selbst destillierte Rum „JON“ sowie der Salbeigeist mit Honig wurden gar mit einem „Best in Class“ ausgezeichnet – die Besten ihrer Klasse. „Weitere Auszeichnungen, die noch anstanden und bei denen wir sicherlich auch sehr gut abgeschnitten hätten, fanden nicht mehr statt, was natürlich sehr schade ist. Zumal unser Plan vorsah, dieses Jahr so richtig durchzustarten“, sagt Steffi Klöckner. „Wir hatten uns nach Jahren des Hin- und Herüberlegens endlich dazu entschieden, mit unseren Produkten auf zahlreiche Messen zu gehen, um deutschlandweit bekannt zu werden.“
Die ProWein in Düsseldorf, die ITB in Berlin, die Internorga in Hamburg, die DLG Land und Genuss in Frankfurt – nur vier von zahlreichen fest eingeplanten Messen, um in der Unternehmensentwicklung jetzt den nächsten Schritt zu gehen. Die Zeit war reif dafür – doch dann kam Corona. „Im Januar haben wir einen nationalen Vertriebsmitarbeiter eingestellt. Wir wollten mit viel Schwung ins neue Jahr gehen und mit unseren Produkten überregional punkten. Das hatten wir gemeinsam mit unseren Kindern, der achten Generation, im Vorjahr strategisch geplant. Alle waren mental vorbereitet und sehr gespannt, wie weit wir es als regionale Brennerei schaffen können. Wir wollten uns auch ein Stück weit neu entdecken. Die Pandemie hat uns gezeigt: Man muss und kann nicht immer alles bis zum Ende vorherplanen. Aber unser Ziel bleibt das Gleiche – wir werden es halt mit kleinen Umwegen erreichen.“
Diesen Weg geht die Brennerei nun in siebter und achter Generation gemeinsam. „Wir sind manchmal sehr unterschiedlicher Meinung, was ich aber nicht als Nachteil empfinde – ganz im Gegenteil“, sagt Steffi Klöckner. „Wir haben ganz unterschiedliche Herangehensweisen und darauf basierend spannende Diskussionen. Aber wir wissen auch: Wenn am Ende eine Entscheidung getroffen wurde, dann wird diese auch akzeptiert und es wird gemeinsam in diese Richtung gearbeitet. Wenn man mich nach einem Erfolgsrezept fragen würde, dann würde ich sagen: Bei uns agiert der Einzelne seinen Talenten entsprechend, jeder hat unterschiedliche Stärken. Wichtig ist am Ende, diese gemeinsam für das Familienunternehmen in Ideen und Impulse umzuwandeln und das Unternehmen weiterzuentwickeln.“ Und: Man sollte das lieben, was man tut! „Dann braucht man sich auch keine Gedanken über Work-Life-Balance machen, denn dann ist work = life.“
Spannende Aspekte der Veränderung, eingebracht durch die achte Generation, sind unter anderem die Themen Digitalisierung und Prozessoptimierung. „Dennoch bleiben wir auch eine Manufaktur! Ein Beispiel: Einer der wichtigsten Faktoren beim Whisky ist der Faktor Zeit“, sagt Klöckner. „Da kann die Digitalisierung noch so sehr Einzug halten, ein guter Whisky braucht eben mindestens seine fünf bis sieben Jahre.“ Dennoch werden Prozesse auch mit Blick auf die Digitalisierung Schritt für Schritt optimiert: „Da müssen wir als ältere Generation auch sagen: Das ist der neue Weg, den unterstützen wir. Da müssen wir auch offen sein – das schulden wir der nächsten Generation.“ Im Detail geht es dabei unter anderem um die Optimierung von Abfüllprozessen und um das Entwickeln von Kennzahlen, was zum Teil auch der wachsenden Nachfrage geschuldet ist. „Es gibt aber auch viele Prozesse, wie zum Beispiel die Destillation, die bewusst händisch bleiben.“
Um sich als Familienunternehmen
weiter am Markt behaupten zu können, ist jedoch auch über das eigene Unternehmen hinaus ein gemeinsames Denken von Nöten. Die Familie Klöckner geht diesen Weg schon seit langer Zeit. „Wir stehen im engen Kontakt mit der heimischen Gastronomie, mit dem Lebensmittel-Einzel-
handel, mit weiteren Regionalpartnern, wie zum Beispiel Kräuterwind oder SlowFood, und vor allem auch mit dem Westerwald- und Rheinland-Pfalz-Tourismus. Wir unterstützen die Region und sind gerne Botschafter des schönen Westerwaldes. Wir sind im Netzwerk des Verbandes der Deutschen Whiskybrenner, wir arbeiten in unterschiedlichen Ausschüssen des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosenindustrie, treffen uns regelmäßig mit den nationalen und internationalen Destillateurmeistern und vieles mehr. Das Vernetzen und Gemeinschaftsgefühl bringt uns am Ende alle gemeinsam nach vorne. Und nur darum geht es – vor allem in diesen schwierigen Zeiten. Wir sind viel unterwegs – aber von Herzen bekennende Westerwälder!“
Doch was bleibt – mit und nach Corona? Haben die Klöckners Angst um die Zukunft? „Ich bin generell ein optimistischer, aber auch realistischer Mensch“, sagt Steffi Klöckner. „Wir haben die Corona-Zeit genutzt für uns persönlich, aber auch, um neue Konzepte auf den Weg zu bringen. Wir sind ein kleines Familienunternehmen und sind flexibel auch für Marktveränderungen. Ich habe keine Angst vor dem, was kommt. Ich denke, es wird immer Lösungen geben. Die Pandemie hat gezeigt, wie verwundbar das gesellschaft-
liche und wirtschaftliche System ist. Ich bin davon überzeugt, dass die fetten Jahre in unserem Land tendenziell vorbei sein werden. Aber das finde ich persönlich auch nicht so schlimm. Es muss nicht immer höher, schneller und weiter gehen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass dies auch nicht glücklicher macht.“