Wenn dem Partyschlager plötzlich Millionen-Umsätze fehlen

Summerfield Group in Montabaur: Sie sind laut, schrill, schmerzfrei, manchmal hübsch, manchmal zottelig.
Es gibt Momente, da riechen sie nach Dosenbier oder Pizza, manchmal treffen sie Töne, oft aber auch nicht. Aber darum geht es auch gar nicht. Partyschlager muss genau so sein – schräg, anders, unterhaltend. Was manchmal unbeholfen aussieht, ist in Wirklichkeit wohl durchdacht. Was auf manche Menschen vielleicht sogar verstörend wirkt, ist in Wirklichkeit nicht nur Unterhaltung, sondern vor allem auch ein Millionengeschäft. Die Summerfield Group gibt in der Szene die Schlagzahl vor, ist Impulsgeber und Marktführer. In Montabaur hat die Kreativschmiede rund 2,8 Millionen Euro in einen neuen Firmensitz investiert. Der Bau begann vor der Corona-Krise, fertiggestellt wird er mitten in ihr – und damit in einer Zeit, in der die komplette Veranstaltungsbranche am Boden liegt.
Foto: WDR/Dirk Borm, Matthias Distel alias Ikke Hüftgold (Gründer, Kreativkopf, Songwriter und Sänger bei Summerfield Records)
„Natürlich gab es Angebote und Übernahmeversuche großer Firmen, die uns mit Geld locken wollten und unsere Songs abkaufen wollten. Aber wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir unseren Weg allein gehen und die Nummer eins im Partyschlager bleiben wollen.“
„Bis Ende Februar kannten wir bei Summerfield nur eine Richtung: nach oben!“ Matthias Distel hat eine Gartenbaufirma in Limburg. Und eine Gabe, die viele gerne hätten: Mit Perücke und Trainingsanzug wird er zum Schlagerparty-Kultsänger Ikke Hüftgold – seine zweite Identität. Distel hat eine Antenne für Musik wie kaum ein Zweiter. Gemeinsam mit Dominik de León gründete er die Plattenfirma Summerfield Records – gemeinsam diktiert man seit einem guten Jahrzehnt den Sound im Partyschlager. „Natürlich hatten wir auch Glück, vor allem aber hatten wir das richtige Händchen“, sagt Distel. „Ich bin damals nach einer verlorenen Wette als Partysänger auf Malle gelandet und habe gesehen, wie sehr es der Szene an Kreativität und Professionalität fehlt.“

Hüftgold bringt beides mit. Und den nötigen Mut. „Dicke Titten Kartoffelsalat“ – so kann man einen Song nennen, muss man aber nicht. Hüftgold tut es, steht mit diesem Lied kurz vor der Goldenen Schallplatte. Distel und de León spüren damals, dass die Branche noch im Tiefschlaf ist. Sie entwickeln eigene Projekte, finden weitere Künstler, entdecken Mia Julia. „Ich habe sofort die Potenziale gesehen.“ Andere schauten da bei Künstlern wie Mia vermutlich nur auf die Kurven, Distel und de León schauten auf das Gesamtkonstrukt und sahen die Möglichkeiten. Mehr als 40 Songs schrieben sie für Mia Julia, machten sie zur erfolgreichsten Partysängerin. 15.000 Euro für einen Auftritt – eine normale Gage.
Sängerin Isi Glück während der Aufnahme mit bei Summerfield Records
„Plötzlich wollten auch andere Künstler zu uns“, erinnert sich Distel. Bei Summerfield klang Partyschlager anders – moderne, elektronische Beats in Verbindung mit deutschem Gesang. „Wir haben neue Künstler aufgebaut, immer mehr Exklusivverträge abgeschlossen. Die Familie wuchs stetig.“ Lorenz Büffel war einer dieser Künstler, seine erste Single aus der Feder von Distel und de León hieß „Johnny Däpp“. Der Song knackte bei den Downloads und Streams die Marke von 100 Millionen. In Kürze wird die Single mit Platin ausgezeichnet – das gab es für einen Partyschlager noch nie. Der Produzent Alex Christensen arrangierte sogar eine Version für den amerikanischen Musikmarkt. „Der Song hat alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt“, sagt Distel. Summerfield hatte einmal mehr bewiesen: Sei kreativ und professionell – dann geht was! Die sieben Topkünstler der Summerfield-Familie machen normalerweise Millionen-Umsätze im Jahr, wäre da nicht eine Pandemie mit dem Namen „Corona“.

„Persönlich habe ich wenig Angst vor den Auswirkungen, was daran liegt, dass ich breit aufgestellt bin – auch wenn Veranstaltungen und Auftritte so wie jetzt wegbrechen“, sagt Matthias Distel. „Mit 19 Exklusivkünstlern, die zu Summerfield gehören, profitieren wir stark vom Lizenzgeschäft. Ich habe bis heute mehr als 400 Songs produziert und veröffentlicht, darunter einige Hits, die in Dauerschleife gestreamt werden. Die Gema- und Lizenzeinnahmen sind so hoch, dass ich mir persönlich wenig Gedanken machen muss um die nächsten Jahre. Aber ich habe für meine Firmen und mehr als 35 Angestellten eine Verantwortung. Manch kleiner Künstler in unserer Branche ist leider schon in die Knie gegangen, weil die Rücklagen fehlten. Die großen Künstler sitzen es zum Teil noch aus, aber das wird auch nicht ewig funktionieren. Deshalb müssen wir neue Wege finden, mit unserem Produkt Geld zu verdienen.“

Bei Summerfield sind neben den genannten Künstlern unter anderem Isi Glück, der Honk, Kreisliga Legende, Almklausi, Michael Wendler, Willi Herren und Oli P. unter Vertrag. Und die geht Distel auch in Zeiten von Lockdown, Veranstaltungsverboten und Kontaktbeschränkungen an: „Ich hatte das unglaubliche Glück, dass nicht ein einziger Mensch aus meinem kompletten Umfeld, und das ist sehr, sehr groß, betroffen ist. Corona ist an mir und meiner Familie spurlos vorbeigegangen, was mich vielleicht auch leichtsinnig gemacht hat. Ich habe mich beruflich sehr engagiert, viel mit Menschen getroffen und Meetings abgehalten, weil einfach die Angst da ist, dass unsere Branche nicht mehr auf die Füße kommt. Ich musste einfach reagieren. Ich bin allein in der Musikbranche mit sieben Firmen aktiv. Ich konnte nicht einfach nur dasitzen und nichts tun.“
Nur bei einer Sache konnte er nichts tun, außer zuzuschauen – beim Lockdown. „Ich war von der ersten Minute an ein großer Mahner. Es war absehbar, dass die Maßnahmen unsere Branche so weit in den Keller drücken würden, dass sie sich davon die nächsten drei bis fünf Jahre nicht erholen wird. Das Verhalten in unserer Gesellschaft hat sich durch Corona stark verändert. Viele haben Angst vor dem direkten Kontakt – und das wird auch eine lange Zeit so bleiben. Ich befürchte, dass auch nächstes Jahr noch keine Großveranstaltungen möglich sein werden. Das große Geld wird damit vorerst nicht verdient, also müssen wir mit den kleinen Dingen Geld verdienen – wie Wohnzimmerkonzerte, private Feiern oder Geburtstage.“ Früher hat man solche Anfragen oft abgesagt, zu viele Großveranstaltungen liefen parallel – dort winkte das größere Geld. Corona hat die Branche zu einem Umdenken gezwungen. Kleine Brötchen sind die Zukunft.

Visionen & Ideen – auch in der Krise

„Ich bin keiner, der mit Stillstand gut leben kann“, sagt Matthias Distel. „Ich muss immer neue Ideen ausprobieren.“ Die Corona-Krise nutzte der kreative Querdenker dafür, mit www.mallorca247.com ein neues Internetportal zu gründen mit jeder Menge Content rund um Partys, Musik und Lifestyle auf der Sonneninsel. Mittlerweile arbeiten fünf Redakteure täglich an Inhalten für das Portal. „Eine solche Plattform war schon seit vielen Jahren mein Traum.“ Und einen weiteren hat er ebenfalls fertig in der Schublade: „Ich möchte gerne einen Kinofilm produzieren. Das Drehbuch ist schon fertig.“
ie es Summerfield und seine Künstler durch die Krise schaffen werden? Distel kennt nur einen Weg: „Weiter wie eine Wand zusammenstehen, denn gemeinsam sind wir stark! Das war schon immer unser Motto. Und das Wort Familie ist bei uns nicht nur eine Floskel. Das finden natürlich manche Künstler in der Szene nicht so super, weil wir als Summerfield mit starker Stimme und geballter Power den Markt bestimmen. Aber wir sind für unsere Leute im Team da. Manche haben in den vergangenen Wochen richtig auf die Mütze bekommen. Wir unterstützen finanziell, aber auch bei Anträgen für Corona-Fördermittel. Die Summerfield Group verzeichnet allein durch den Wegfall der Veranstaltungen einen Umsatzverlust von vier bis fünf Millionen Euro. Aber es ging uns nie ums Geld. Ich war als Gartenbauer auch mit 3.000 Euro im Monat glücklich. Ich stecke mein Geld nicht in mein Privatleben oder in teure Autos. Ich bin dankbar für das, was ich schon erreicht habe, und möchte mithelfen, unsere Firma auch in diesen Zeiten weiter auszubauen.“

Das neue Medienzentrum in Montabaur

„Als wir vor zwei Jahren den Neubau unseres Medienzentrums in Montabaur geplant haben, da hatten wir viele Szenarien auf dem Schirm: eine Wirtschaftskrise, internationaler Terror – Faktoren, die den Partyschlager treffen könnten. Einen Virus hatten wir nicht auf dem Schirm“, sagt Matthias Distel. „Wir haben zu Beginn der Krise kurz auf den Pausen-knopf gedrückt und geschaut, ob wir unsere Liquidität halten können. Das können wir, und deswegen geht der Bau normal weiter. Wir werden rund 2,8 Millionen Euro investieren in Gebäude und Technik wie Ton- und TV-Studio. Lediglich den obersten Stock, den wir ohnehin als Entwicklungsfläche geplant haben, werden wir vorerst nicht ausbauen. Das heben wir uns für später auf.“

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