33 Jahre. So lange ist Detlef Stoltefaut schon im Unternehmen. Heute als Geschäftsführer. Damals zunächst als Werkstudent. „Ich habe Chemie studiert und mich mit stinkenden Papierwässern beschäftigt“, schmunzelt Stoltefaut. Die Dinge haben sich verändert, nicht nur bei ihm. Lahnpaper musste sich schon mehrfach neu erfinden, weil bestehende Märkte plötzlich wegbrachen. Wenn Stoltefaut heute sein Unternehmen in zwei Sätzen beschreibt, dann klingt das so: „Wir sind kein Standort, der Papier oder Massenprodukte herstellt. Wir bieten spezielle und auf die Kundenbedürfnisse maßgeschneidert
angefertigte Produkte, mit besonderen Funktionen und Aufgaben.“
bei Lahnpaper greifbarer. „Früher gab es die klassische Babywindel mit einem Klebestreifen zum Verschließen. Wir waren Marktführer für diese Klebestreifen.“ Diese wurden jedoch durch eine transparente Folie abgelöst, durch die man den süßen Teddybären auf der Windel auch nach dem Verschließen noch sehen konnte. „Der komplette Markt brach für uns weg, wir mussten uns neu erfinden.“ Noch ein Beispiel? Kein Problem: Staubsaugerbeutel. „Wir waren Marktführer bei der Produktion von Filterpapieren für Staubsaugerbeutel. Ein großes Geschäft“, erinnert sich Stoltefaut. Doch das Papier wurde im Laufe der Jahre durch Synthetik ersetzt. Und Lahnpaper
verlor einen weiteren großen
Absatzmarkt.
Wo andere Unternehmen längst ins Wanken geraten oder ganz von der Bildfläche verschwunden
wären, hat man bei Lahnpaper die Herausforderungen stets
angenommen – und sich dann eben neu erfunden. „Ich hatte nie das Gefühl, dass jetzt Schluss ist, weil uns ein Markt weggebrochen war“, sagt Stoltefaut. „Ich bin ohnehin ein optimistischer und positiver Mensch. Ich habe immer wieder Ansätze gesehen, gemeinsam mit unseren Mitarbeitern neue Themen zu entwickeln und zu erarbeiten. Ich habe mir nie ernsthaft Sorgen gemacht, dass unser Unternehmen die Lahn runtergeht.“ Das lag vor allem aber auch an der Ressource Mensch im Unternehmen: „Es ist wichtig, gute Ideen zu haben. Aber die kann man nicht alleine umsetzen. Es braucht Leute, die mitmachen, einen fordern und auch selbst kreativ sind.“ Stoltefaut, seit dem Jahr 1996
Geschäftsführer (heute gemeinsam mit Andreas Ruepp), hatte seinen unternehmerischen Schwer-
punkt schon immer auf den Bereich Vertrieb und Produktentwicklung gelegt. „Mir ist es wichtig, nah dran zu sein an den Prozessen und Veränderungen da draußen. Ich bin Naturwissenschaftler, gehe immer analytisch und strukturiert vor. Dies gepaart mit einer Portion Kreativität und unseren tollen Mitarbeitern hat immer geholfen, da draußen den richtigen Kunden und auch neue Märkte für uns zu finden.“
Den hätte man vermutlich niemals in der Londoner U-Bahn gesucht – nach dem Motto: Babywindeln und Staubsaugerbeutel fallen weg, lass mal was in England machen. Aber genau dort ist eines der neuen Betätigungsfelder von Lahnpaper zu finden: „Alle Plakatwände in den Bahnhöfen der Londoner U-Bahn sind auf Papier aus unserem Werk in Lahnstein gedruckt“, berichtet Stoltefaut. Die Herausforderung des Kunden: Die U-Bahn steht nachts nur für sehr kurze Zeit still. In der Zeit werden Züge
gewartet, Bahnhöfe gereinigt und die Werbung auf Plakatflächen ausgetauscht. „Also muss es besonders schnell gehen. Wir haben ein Produkt entwickelt, welches einfach anzubringen und auch einfach wieder abzuziehen ist – ohne Spachtel und Schere. Und ganz ehrlich: Es ist schon schön, behaupten zu können, dass dort alles mit Papier aus Lahnstein bestückt ist.“
Eine weitere Erfolgsgeschichte aus Lahnstein ist diese: KFZ-Scheine und KFZ-Briefe werden hierzulande exklusiv auf Papier von Lahnpaper gedruckt.Zwar sind die Scheine mittlerweile Geschichte, nicht aber die Briefe – von denen jeder Autobesitzer einen bei sich zuhause hat. „Die Besonderheit hier ist: Das dauerhafte Papier muss mit Sicherheitsmerkmalen versehen werden und in seiner Anwendung sehr langlebig sein. In Kombination sind wir die einzigen, die dieses Produkt herstellen.“ Am Beispiel KFZ lässt sich aber auch die DNA von Lahnpaper ablesen, denn auch der Führerschein kam früher aus Lahnstein. „Durch den Technologiewandel verschwinden Dinge vom Markt. Den Führerschein gibt es heute als Karte. Und auch viele andere Produkte, die mal auf langlebigem Papier gedruckt worden, sind durch den Wandel hin zu neuen Technologien verschwunden.“
Man könnte als Unternehmen nun versuchen, den Markt um jeden Preis zu halten und irgendwie mitzuschwimmen – doch das wäre nicht der Weg von Lahnpaper. „Wir nehmen stattdessen die Herausforderung an und suchen uns in unserer Kernkompetenz neue Märkte und entwickeln neue Produkte.“ Und manchmal fällt dem Zahn der Zeit auch die eigene Entwicklung auf die Füße: Die Babywindeln sind weg, weil Plastikfolien das Papier als Lahnstein verdrängt hatten. Im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte gehen
viele Produkte jedoch wieder
einen umgekehrten Weg – und
Lahnpaper ist mit im Boot. „Wir entwickeln gerade ein neues Produkt als Ersatz für Plastiktüten und Tragetaschen – weg von der Folie, hin zu einem dauerhaften Papier.
Erste Geschäfte haben wir bereits realisiert. Es ist immer wichtig, genau zu schauen, wo sich etwas Neues entwickelt und wie wir ein
Produkt umsetzen würden.“
Geholfen hat bei all den Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte die Nähe zu den Kunden und das Verständnis für deren Bedürfnisse: „Wir arbeiten ausgesprochen kundenorientiert“, unterstreicht Detlef Stoltefaut. „Auch wenn die Anforderungen zum Teil schwer umzusetzen sind und Themen auch mal nicht auf Anhieb so laufen, wie wir uns das wünschen. Aber wir haben schon immer über den Tellerrand geschaut, sind neue Wege gegangen. Kreativität bedeutet für uns über das Bestehende hinaus zu denken und mutig neue Wege zu gehen.